Vermeiden Sie es in Ihrem Roman, an einen abhängigen Nebensatz einen weiteren, von diesem abhängigen Nebensatz zu hängen. Grund: Bei jeder neuen Ebene der Abhängigkeit muss der Leser ein Stockwerk tiefer in seinem Hirn klettern. Selbst wenn die Sätze noch gut verständlich sind, stört das den Fluss der Geschichte. Und der Leser muss aus einem tiefen Keller ja immer wieder hoch zum Erdgeschoss Ihres Romans.
Beispiel: Heinz ging in den Garten seines neuen Hauses, das er letztes Jahr gekauft hatte, als die Zinsen noch niedrig waren.
Der Satz ist relativ simpel und verständlich. Dennoch erschwert er den Lesefluss und lenkt vom eigentlichen Inhalt ab: dass Heinz in den Garten ging. Statt dieses Bildes schicken Sie den Leser zu Niedrigzinsen.
Ihr Roman hat ja nicht nur diesen einen Satz. Hoffe ich. Jede solche Konstruktion erschwert das Lesen und macht es im Wiederholungsfall langsamer und langsamer. Zudem verwirren sich die Bilder im Kopf des Lesers. Auch verliert er das Gefühl, was denn nun wichtig ist und was nicht.

Eine Variante zu unserem Beispiel: Er ging in den Garten seines neuen Hauses. Er hatte es letztes Jahr gekauft, als die Zinsen noch niedrig waren.
Hier haben wir den zentralen Inhalt, die Handlung des In-den-Garten-Gehens. Diese ergänzen Sie in einem eigenen Satz um Zusatzinformationen. Damit trennen Sie beides und helfen dem Leserauge und Leserhirn.

Tatsächlich sollten Sie sich jedoch die Frage stellen, ob Ihr Roman die zweite Kellerebene an dieser Stelle und mit diesem Inhalt braucht. Geht es in Ihrem Roman um die finanzielle Lage von Heinz, kann die Information bedeutsam genug sein, sie einzuflechten. Wird aber Heinz im nächsten Satz seine Freundin anrufen und mit ihr über den Urlaub auf Ibiza sprechen, stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit der Zins-Information.

Diese stilistische Frage auf der Ebene einzelner Sätze erscheint mir auch auf den Roman als Ganzes ausdehnbar zu sein. Sicher haben Sie schon häufiger an die eigentliche, die zentrale Story eine kurze Abschweifung angebaut. Sie tun so etwas, um Ihren Roman interessanter, realistischer, welthaltiger und die Charaktere lebendiger zu machen. Eine gute Idee.
Doch ich wette, Sie haben ebenso häufig an die Abschweifung eine weitere angehängt, haben den Leser also zwei Stockwerke tiefer geschickt. Auch hier gilt das oben bei den Sätzen gesagte: Der Leser verliert sich allzu leicht, die Rückkehr zur Basis-Story ist mühsam (die vielen Stufen!) und das Tempo der Geschichte leidet. Der Roman insgesamt verwässert, verliert den Fokus, und mit ihm erscheinen auch die Charaktere weniger aktiv, weniger fokussiert, weniger an der eigentlichen Story interessiert. Und wenn schon die unmittelbar Betroffenen das Interesse an der Geschichte verlieren, wie wollen Sie dann Ihre Leser darin halten?

Oft sind Abschweifungen von Abschweifungen nicht nur ein Auswuchs Ihrer Kreativität. Sondern sie deuten auf einen tieferliegenden Knackpunkt hin: Die eigentliche Basis-Story im Erdgeschoss interessiert Sie als Autorin oder Autor selbst nicht (mehr) so recht. Denn wieso sonst würden Sie ihr aus dem Weg gehen? Das wiederum weist auf ein Problem der Basis-Story selbst hin. Womöglich fehlen Ihnen die zündenden Ideen, vielleicht wissen Sie nicht so recht, was Sie mit Ihrem Protagonisten anfangen sollen, Sie hängen fest oder kennen Ihre Heldin nicht gut genug … Vieles ist denkbar – und die Sache ist wichtig genug, dass Sie die Ursachen erforschen, erkennen und ausmerzen sollten.
Sobald Sie selbst (wieder) für Ihre eigentliche Story brennen, werden Sie den Teufel tun, dauernd von ihr wegzusteuern. Im Gegenteil: Jede Abschweifung von ihr wird Ihnen wehtun. Und daher werden Sie auch diese nur noch dann einsetzen, wenn sie tatsächlich eine Menge zum Roman beitragen.

Abschweifungen und die Abschweifungen davon bringen einen weiteren Nachteil mit sich: All das will ja auch überarbeitet und optimiert werden. Das führt dann zu einer gefährlichen Fehleinschätzung – gerade dann, wenn die oben angesprochenen Knackpunkte für Ihre Basis-Story gelten: Sie glauben, mit der Verbesserung der Abschweifungen den Roman an sich zu verbessern. Tatsächlich aber verbessern Sie nichts Wesentliches. Dafür leidet die Basis-Story. Sie ist es, die Ihre Mühen verdient hat.

Fazit: Abschweifungen beleben den Roman, Abschweifungen von Abschweifungen lähmen ihn.
Bleiben Sie bei Ihrer Basis-Story. Machen Sie diese mitreißender. Dann werden auch Sie selbst sehr viel weniger Lust auf (einfache) Abschweifungen haben. Und wenn Sie dann doch einmal abschweifen, dann ist diese Abschweifung richtig gut. Und der Leser wird im ersten Kellergeschoss etwas Wunderbares entdecken.