Was Symbolik ist und wie Sie sie in Ihrem Roman effektiv und gewinnbringend einsetzen

(Foto Bob Odenkirk (alias Saul Goodman) by Gage Skidmore (CC) Montage: SW)

 

Symbole als Metaphern

Symbole im Roman sind im Prinzip Metaphern – und zwar wiederkehrende –, die das Thema auf eine andere Weise beleuchten und vertiefen, indem sie verallgemeinernd für etwas anderes stehen, etwa für einen Aspekt eines Charakters.

In der TV-Serie »Better caul Saul« (einem Ableger von »Breaking Bad«) können Sie beobachten, wie die Autoren Symbolik immer wieder höchst effektiv einsetzen.
Die zweite Episode der fünften Staffel, »50 % off«, endet damit, dass Anwalt Saul Goodman von einem Gangster, Nacho Varga, zu einer Autofahrt eingeladen wird. Ein Angebot, das Saul nicht ausschlagen kann. Nacho hält neben Saul am Straßenrand, Saul hat ein Eis in der Hand. Das Eis darf er nicht mitnehmen, um Nachos Vintage 73er AMC Javelin AMX ja nicht zu verschmutzen.

(Nebenbei: Die Autos der wichtigsten Charaktere der Serie sind ebenfalls als Symbole ausgewählt. So fährt Saul selbst eine alte Schrottkiste, ein gesichtsloses Billigmodell von Suzuki, »Esteem«. Das Modell »Esteem« heißt übersetzt so viel wie Achtung, Anerkennung – und das ist genau das, wonach Saul in den ersten Staffeln strebt, obwohl er selbst es zunächst nicht schafft, mehr zu sein als ein schrottiger Anwalt. – Sie sehen, welche Vertiefungen, Spiegelungen der Charaktere mit Symbolen möglich sind.)

Saul lässt die Eiswaffel fallen, bevor er einsteigt. Die Kamera zoomt die auf den Gehweg gefallene Waffel heran. (In Ihrem Roman würden Sie die Waffel erwähnen und kurz und vor allem auf eine besondere Art beschreiben.) Das ist das letzte Bild der Episode.
In der nächsten Episode, »The Guy for This«, liefert Nacho Saul bei seinem Boss, Lalo, ab. Lalo will, dass Saul einen seiner Drogendealer im Knast besucht und ihm präzise vorgibt, was er aussagen soll. Auch das ein Angebot, das Saul kaum ausschlagen kann. Dann kommt die entscheidende Wendung: Saul fordert für seine Dienste einen gewaltigen Geldbetrag – und bekommt ihn zugesichert.
Es ist ein Schlüsselmoment der Serie: Saul wendet sich endgültig, bewusst und aktiv dem Verbrechen zu. Melodramatisch ausgedrückt: Saul hat seine Seele verkauft.
Nachdem Saul seinen Job erledigt hat, liefert Nacho ihn wieder da ab, wo er ihn abgeholt hat. Die Eiswaffel liegt noch dort, das Eis ist nur noch eine Pfütze und Hunderte von Ameisen kribbeln und krabbeln darin herum.

Wofür steht das Eis?

Das Eis ist ein Symbol. Wofür? Für Sauls Unschuld. Eine Eiswaffel, das hat etwas Kindisches, eben Unberührtes. Als er in Nachos Wagen einsteigt, lässt Saul die Waffel fallen – und seine Unschuld hinter sich. Lalo korrumpiert diese Unschuld – symbolisiert von den Ameisen, die auf dem Eis herumwimmeln. Ein starkes Bild für das Böse.

(Übrigens: Insekten werden seit Urzeiten gerne als Symbol des Bösen verwendet. So wird der Teufel nicht von ungefähr auch als „Herr der Fliegen“ bezeichnet und häufig von einer Fliege symbolisiert. Achten Sie mal darauf, wenn Sie sich den nächsten Horrorfilm ansehen. Oder ihn schreiben …)

Dieses Symbol haben die Autoren geschickt und klug gewählt. Es ist unaufdringlich und fügt sich organisch in die Handlung ein. Auch sind es alltägliche Dinge, diese Eiswaffel und die Ameisen, und damit jedem Zuschauer vertraut. Den meisten Zuschauern fällt es nicht als Symbol auf. Auf diese Weise wirkt es unbewusst, spricht vielleicht gar etwas Archetypisches aus dem kollektiven Unbewussten an.
Das Symbol verstärkt das, was die Zuschauer bewusst gesehen haben, Saul bei Lalo, und macht die Bedeutung ihrer Begegnung und Abmachung zugleich deutlicher.

 

Symbole in Ihrem Roman bewusst oder unbewusst einsetzen

Manche Symbole werden Sie unbewusst in Ihren Roman setzen. Doch wenn Sie sich diese bewusst machen, können Sie ihre Wirkung effektiver einsetzen, sie optimieren und intensivieren. Dazu treten Sie einen Schritt von Ihrem Roman zurück und fragen sich, worum es zentral geht – was ist das eigentliche Thema, das Thema unter der Oberfläche?
Bei Saul ist es, entsprechend der Vorgängerserie »Breaking Bad«, der Fall des Saul Goodman von einem schlitzohrigen Nichtsnutz zu einem ebenso raffinierten wie nahezu skrupellosen Anwalt von Gangstern, Mafiosi und Mördern.
Greifen Sie die wichtigen Aspekte des Themas heraus – bei Saul sind es unter anderem Schuld, Unschuld, das Böse – und suchen Sie Symbole dafür. Wahrscheinlich werden Sie bereits Symbole in Ihrem Roman drin haben. Können Sie diese verdeutlichen und stärken? Können Sie sie an weiteren Stellen einsetzen?
Denken Sie auch daran, die Symbole, wie in »Better call Saul« die Eiswaffel, auf natürliche Weise in die Handlung zu integrieren. In den meisten Fällen genügt es, das Symbol zwei oder drei Mal zu bringen. In »Better call Saul« kommt die Eiswaffel ein zweites Mal zu Beginn der dritten Episode vor – in Großaufnahme sieht man eine einzelne Ameise und wie sich nach und nach mehr hinzugesellen. Das dritte Mal ist das oben angesprochene Bild der vollkommen von Ameisen überwimmelten Waffel.

Übrigens: Symbole können sogar andere Charaktere sein. Denken Sie an Han Solos (Star Wars) Freund und Co-Piloten Chewbacca. Dieses zottelige, wilde Wesen ist auch ein Symbol für den Kern von Hans Persönlichkeit: Er ist selbst ungebunden und wild, seine Seele unrasiert.

Diese Sicht auf Symbole hilft Ihnen zudem, sich das Wesen, den innersten Kern Ihrer Charaktere bewusst(er) zu machen. Schon allein dafür lohnt sich die Beschäftigung mit Symbolen. Selbst wenn Sie am Ende kein Symbol finden sollten (was ich für unwahrscheinlich halte), so haben Sie doch mehr über die Charaktere herausgefunden, was sich an anderen Stellen positiv auf Ihren Roman auswirken wird.

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