Über Sprecherzuordnungen in Dialogen
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Dialoge gehören nicht dem Autor, sondern den Charakteren. Wann immer der Autor aber ein anderes Verb als »sagen« benutzt, um den Sprecher zu benennen, reißt er den Dialog an sich.
»Oh, wie ich dich begehre«, säuselte sie zärtlich, »wie ich mich nach dir verzehre.« Der Autor kennt zwar seinen Endreim, aber er kommentiert das Gesagte, und zwar gleich zwei Mal: Dass sie säuselte, ist Kommentar Nummer eins, der Autor tritt einen Schritt vom Dialog zurück und wirft einen Blick darauf. Der Leser ist gezwungen, ihm zu folgen. Die Art, wie sie säuselte, ist Kommentar Nummer zwei. Adverbien sind fast immer Kommentare.

Und: Diese ganzen blödsinnigen Sprecherzuordnungen wie eben „säuselte sie augenzwinkernd“ lenken vom Inhalt des Dialogs ab, weil sie die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. „sagte“ hingegen wird schlicht überlesen.

Auch sind solche stilistischen Auffahrunfälle das Kennzeichen eines Amateurs. Es ist keine Schande, noch kein erfahrener Autor zu sein. Es ist schon schlimmer, wenn man den Umstand lauthals in die Gegend posaunt (irgendwie affig, findet der Brüller im Foto).

Alles außer „sagte“ (mit Ausnahmen wie etwa „flüstern“ oder „rufen“) entfernt den Leser vom Dialog und damit von der Geschichte, indem es eine Instanz zwischen die Geschichte und den Leser schaltet: den Autor oder die Autorin.

Also: Die Zuordnungen in einem guten Dialog beruhen auf vor allem »sagen« (»sagte sie«, »sagte er«). Fast alles andere lenkt die Aufmerksamkeit vom Gesagten ab, ist redundant (»spekulierte er«, wenn klar ist, dass er spekuliert) oder ist falsch bis unmöglich (Die Konstruktion „‚Hugo hat Hunger‘, zischte er.‘ ist Blödsinn, da man diesen Satz mangels Zischlauten gar nicht zischen kann).


Ergänzung, nachdem mir eine Schreibtrainerin von den Reaktionen ihrer Schäfchen auf diesen Artikel berichtet hat (meine Erfahrung: Seinen Stil lässt niemand gern kritisieren):

Es kommt darauf an, wie tief man einen Leser in den Roman eintauchen lassen will. Seriöse Literatur lädt in den meisten Fällen weniger dazu ein, sondern betrachtet das Ganze aus einer distanzierten Warte.

Speziell zu „zischen“: Natürlich kann man was zischen. Sofern Zischlaute drin vorkommen. (Auch ein Lieblingsaufreger von mir: Viele Leute können nicht abstrahieren, sondern verbeißen sich an Beispielen. Und: Gegenbeispiele findet man immer.)

Hirn einschalten hilft in vielen Fällen schon. Man kann etwas sagen, aber etwas „poltern“ oder „niesen“ kann man nicht. Oder einen langen Satz wie „Seriöse Literatur lädt eher weniger dazu ein, sondern betrachtet das Ganze aus einer distanzierten Warte.“ kann man nicht „kichern“.

Tipp: Wann immer Ihnen jemand dämliche Sprecherzuordnungen als guten Stil verkaufen will, laden Sie ihn/sie einfach mal dazu ein, Ihnen vorzuführen, was sie da schreiben. Wird bestimmt lustig.