Vor Weihnachten ins Kino? Keine gute Idee. Der Werbeblock dauert noch eine Viertelstunde länger als sonst. Sogar für Arzneimittel wird jetzt im Kino geworben! Ah, der Werbeblock. Nach dem Abspann des Films würde sich die Werbung als der unterhaltsamere Teil des Kinobesuchs herausgestellt haben. Und das, obwohl meine aktuelle Lieblingskinowerbung nicht lief. Vermutlich, weil kein Mensch zu Weihnachten Maultaschen isst: https://www.youtube.com/watch?v=80r8hH4zm90. Der Spot hat mehr Charakter und Charme als über zwei Stunden Star- Wars-Ödnis.

Der interessanteste Charakter war ein Roboter. Er war auch der Einzige mit einem Sinn für Humor. Der Rest der Truppe riss sich darum, noch uninteressanter und langweiliger als die Kollegen zu sein.

Die Schauwerte? Selbst die blieben weit hinter meinen Erwartungen zurück. Da sehe ich bessere Spezialeffekte in einem Amateur-Katzenvideo. Und fühle mich besser unterhalten. Leider herrscht eine kollektive Blindheit bei Star-Wars-Filmen. Schon Star Wars 7 wurde weit überbewertet. Aber immerhin lese ich nach der anfänglichen Euphorie immer mehr treffende Kritiken. Eine davon stammt von dem Drehbuchguru Scriptshadow, der wie immer herrlich pointiert schreibt: http://scriptshadow.net/film-review-rogue-one/

Was man aus dem Film lernen kann, darüber demnächst mehr in einem ausführlicheren Artikel. Ein Tipp schon hier:
Weil Rogue One die Struktur brav abarbeitet, darf natürlich auch die »Save The Cat/Pet The Dog«-Szene nicht fehlen. Wem der Begriff nichts sagt: In einer solchen Szene wird die Protagonistin dabei gezeigt, wie sie eine Katze aus einer zugefallenen Mülltonne befreit oder, inmitten eines Feuergefechts, noch Zeit findet, einen (offensichtlich tauben) Straßenköter hinterm Ohr zu kraulen. Ziel der Szene ist es natürlich, der Protagonistin Sympathiepunkte einzubringen. Neben niedlichen Tieren eignen sich niedliche Kinder für diese Szene. Was inzwischen ein so großes Klischee geworden ist, dass man mal jemand anderes streicheln und/oder retten könnte.
Protagonistin Jyn Erso, eine junge Kriminelle, wird von den Rebellen auf einen Planeten geschickt, wo sie Informationen über ihren vor vielen Jahren vom Imperium verschleppten Vater finden könnte. In der Hauptstadt Jedha geraten Jyn und Kollegen in ein Feuergefecht zwischen Aufständischen und Sturmtruppen des Imperiums. Ein kleines Kind gerät auch mit hinein. Jyn kann sie gerade noch aus der Gefahr ziehen und übergibt sie der weinenden Mutter.
Warum schafft es die Szene nicht, Jyn sympathischer zu machen? Na ja, immerhin macht die Szene Jyn nicht unsympathischer. Als Zuschauer aber registriert man die Rettung und vergisst sie sofort wieder. Eben weil so etwas längst ein Klischee geworden ist, um noch zu funktionieren. Und weil es so an die Szene drangeklebt wirkt. Außer dem Kind sind keine anderen Leute in Gefahr, es fehlt das Chaos. Auch hat man nicht den Eindruck, dass Jyn bei der Rettung viel riskiert.
Die Szene hätte trotzdem funktionieren können. Wenn nicht auch Jyn den Zwischenfall sofort wieder vergessen hätte. Einige Filmminuten später werden nämlich die ganze Stadt und ein Großteil des Planeten vom Todesstrahl des Todessterns atomisiert. Einschließlich des geretteten Mädchens oder Jungen (hab’s vergessen, was belegt, wie wenig Eindruck die Szene machte).
In Ihrem Roman hätten Sie dann noch Folgendes hinzufügen können: Bevor Jyn und Kollegen vom Planeten fliehen, denkt Jyn noch mal an das Mädchen zurück und an die Ironie, dass sie ein Leben rettete, dass so kurz darauf dann doch ausgelöscht wird. Die in Rogue One komplett banale und vergessenswerte Szene hätte so zu einer Schlüsselszene für die Protagonistin werden und ihren Hass auf das Imperium motivieren können.
Mit der »Rette das Kind«-Szene wurde eine Behauptung aufgestellt: Jyn ist ein guter Mensch. Wenn Sie durch die Ergänzung gezeigt hätten, dass Jyn sich tatsächlich für das Schicksal des Kindes interessiert hätte, hätten Sie die Behauptung bewiesen.
Das heißt »Show, don’t tell« nämlich in Autorendeutsch übersetzt: Stellen Sie keine Behauptungen auf. Sondern liefern Sie dem Leser Beweise. Damit er sich selbst überzeugen kann.
Nur er kann das, nicht Sie. Sie können ihm nur das Material dafür liefern und ihn in die gewollte Richtung stupsen.

Diese »Rette das Kind«-Szene in Rogute One ist nur eine kleine von hundert kleinen und großen vertanen Chancen in diesem vergessenswerten Film. Sparen Sie sich das Geld für die Kinokarte und kaufen Sie davon lieber ein gutes Buch.