Lektionen aus dem Film »Homefront«
Derzeit läuft in den deutschen Kinos der Action-Thriller »Homefront« (USA 2013; Drehbuch: Sylvester Stallone; Regie: Gary Fleder / nach dem gleichnamigen Roman von Chuck Logan). Der Film ist solide gemacht und gespielt, aber einige Aspekte verhindern, dass es ein guter Film wurde. Genau diese Fehler wollen Sie in Ihrem Roman nicht machen.
In dem Film zieht der ehemalige Undercover-Polizist Phil Broker mit seiner Tochter in eine Kleinstadt in Louisiana. Wo er bloß seine Ruhe und ein gutes Leben für seine Tochter haben will. Dann aber sorgt ein kleiner Anlass, eine Rauferei in der Schule, dafür, dass Broker ins Visier des lokalen Meth-Kochs und Drogenbosses Gator gerät.
Was hier gut ist: Der Auslöser für den Film ist eine Kleinigkeit, die sich auswächst, ein versehentlicher Tritt in ein Wespennest. Warum funktioniert das in abgewandelter Form in so vielen Geschichten? Weil der Autor dadurch eine große Veränderung zeigen kann. Und Veränderungen sind das, was eine Geschichte lebendig macht und lebendig hält. Veränderungen heißt, es geschieht eine Menge, große Veränderungen bedeuten: es geschieht etwas sehr Wichtiges. Genau das wollen Ihre Leser, ganz gleich, in welchem Genre Sie schreiben. Ein solcher Anfang mit einer Kleinigkeit, der sich zu etwas Großem aufbläht, gibt ihnen genau das.
Kürzlich habe ich irgendwo gelesen, dass die Gründe für einen schwachen dritten Akt im ersten Akt zu suchen sind. Das könnte auch in »Homefront« der Fall sein.
Im ersten Akt macht eine Geschichte dem Leser Versprechungen. Die sollten Sie als Autor nicht nur halten, sondern übererfüllen. In diesem Film wird der Gegenspieler Gator im ersten Akt eingeführt. Die Einführung ist ein großes Versprechen. Das erste, was der Zuschauer von Gator sieht, ist sein Schatten – ein Schatten mit einer Waffe in der Hand. Sein erster Auftritt ist entschlossen und gewalttätig. Die Botschaft: Gator ist eine verdammt gefährliche und zu allem fähige Kanaille. (Schon sein Name ist ein Versprechen: Gator, die Abkürzung von Alligator.)
Schon vom Ende des zweiten Akts an Akt aber enttäuscht Gator. Während ein größerer Drogenboss, der noch eine Rechnung mit Broker offen hat, seine Leute zu Brokers Haus schickt, bleibt Gator zurück. Er will sich ein Alibi verschaffen. Damit enttäuscht Gator das erste Mal. Das zweite Mal enttäuscht er bei der finalen Auseinandersetzung mit Broker. Gator hat nicht den Hauch einer Chance.
Lektion für Sie: Führen Sie Charaktere auf eine Weise ein, die ihrem Verhalten im Höhepunkt entspricht. In »Homefront« hieße das: Gator wird weniger gewalttätig und stark eingeführt als vielmehr verschlagen und hinterfotzig. Denn am Ende ist es nicht seine Kraft und Brutalität, die eine Rolle spielt. Er entführt Brokers Tochter und flieht mit ihr im Auto. (Hier fällt der Film auch noch in ein gewaltiges Logikloch: Broker verfolgt Gator und treibt ihn in waghalsigen Manövern vor sich her, er versucht, ihn von der Straße zu drängen – eine sonderbare Art, seine Tochter retten zu wollen, die bei einem Unfall vermutlich das erste Opfer wäre. Die Lektion daraus ist simpel: Vermeiden Sie Logiklöcher ;-))
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Eine weitere Schwäche im Plot sorgt dafür, dass der Film nicht so richtig funktionieren will. In der ersten Szene, im Prinzip dem Prolog, sorgt Broker als verdeckter Ermittler für die Inhaftierung des Drogenbosses Danny T, bei der Festnahme stirbt Danny Ts Sohn. Also, wie es aussieht, ein Racheplot? Der Gegenspieler scheint Danny T zu sein. Ist er aber nicht. Denn der sitzt, realistisch, aber dem Film nicht bekömmlich, den Rest des Films im Gefängnis. Erst im Midpoint schickt er seinen Handlanger Cyrus zu Broker.
Das sorgt dafür, dass es drei wichtige Gegenspieler gibt, die Broker tot sehen wollen: Gator, Danny T und Cyrus. Diese aber nehmen sich gegenseitig die Kraft. Denn der Zuschauer hat bei keinem von ihnen den Eindruck, der hier sei jetzt der Oberschurke.
In den meisten Fällen tut es einer Geschichte gut, wenn die Leser genau wissen, welches der wichtigste Gegenspieler des Protagonisten ist. Denn das bedeutet ein Fokussieren des Leser-Interesses und vor allem der Leser-Emotionen. Was umgekehrt ebenso gilt, wenn Sie mit mehreren Protagonisten hantieren.
Was »Homefront« ebenfalls nicht guttut, ist die Überlegenheit des Protagonisten Broker. Er ist eine Kampfmaschine. Niemand im Film kann es körperlich mit ihm aufnehmen, nicht einmal ansatzweise. Das sorgt schnell für Langeweile und für ein abnehmendes emotionales Interesse des Zuschauers. Motto: »Broker ist ja sowieso der Stärkere und Bessere.«
Was Sie daraus lernen können: Wenn Sie einen so überlegenen Helden erschaffen, geben Sie ihm Handicaps, körperliche (Beispiel: Bein gebrochen), geistige (Beispiel: emotional aufgebracht, weil ein geliebter Mensch in Gefahr ist), situative (Beispiel: Er wird durch Überraschung oder Tricks doch überwältigt.).
Und, was immer gut funktioniert: Geben Sie Ihrem Helden einen Gegner, der das, was der Held gut kann, noch besser kann. Wenn Ihr Held ein großer Schwertkämpfer ist, lassen Sie ihn gegen jemanden antreten, der noch besser darin ist. Der Triumph, gegen jemand Stärkeren und Besseren zu gewinnen, ist ungleich größer, als jemand Schwächeren oder Schlechteren zu besiegen. Die Folge: stärkere Gefühle beim Leser.
Happy Leser = happy Autor.
Danke fürs Lesen. Und jetzt weiter im Text. In Ihrem.
Stephan Waldscheidt
(c) SW 2014
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??? Meine Frage an Sie: Welcher in letzter Zeit in den Kinos gelaufene Film gefällt Ihnen so richtig gut? Warum? Ich bin gespannt auf Ihre Antwort — bitte hier als Kommentar … Und: Das hier ist kein Abhören in der Schule, es gibt kein Richtig oder Falsch. Ich freue mich auch über Kommentare, die diese Fragen nicht beantworten 🙂
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