So sehr ich das Wiedersehen mit den Charakteren von »Game of Thrones« auch jetzt in der siebten Staffel genieße, so sehr bedaure ich das Verblassen des einstmals interessantesten Charakters der Serie: Tyrion Lannister. Nach seiner Flucht aus Westeros ist Tyrion erst zum uninteressanten Dauerbetrunkenen geworden und dann, noch schlimmer, zum Dauerlangweiler. Liegt es an George R. R. Martin oder an den Machern der TV-Serie? Ich hoffe auf Letzteres und daher auf »The Winds of Winter«, dem irgendwann hoffentlich mal erscheinenden sechsten Band der Buchreihe.

Tyrion ist inzwischen, in der siebten Staffel, zu einem Sidekick von Danaerys Targaryen degeneriert, der ab und an mal was Kluges oder Geistreiches sagen darf. Ansonsten läuft er durch die Serie wie sein eigener Geist. Laufen? Genau das tut er nicht mehr. Seine Figur ist statisch geworden. Der Grund: Ihm fehlt ein Anreiz, eigenständig zu handeln. Da ist nichts mehr, was er will, außer die Mother of Dragons auf dem Iron Throne zu sehen. Aber für sich selbst will er nichts mehr. Was hätte man schon in der sechsten Staffel aus diesem Charakter noch herausholen können! Mit Danaerys hat er zwar einen starken Gegenpart, doch letztlich sind die Konflikte zwischen ihnen klein und ohne Konsequenzen.

Tyrion fehlt seine Familie, gegen die er angehen konnte, ihm fehlen sein Vater und seine Schwester Cersei. Ihm fehlt auch Bronn, der mittlerweile Tyrions Bruder begleitet (und interessanter macht), mit dem Tyrion sich amüsante Wortduelle lieferte und mit dem er durch dick und dünn gehen musste. Neben Danaerys sitzt Tyrion an Konferenztischen oder sieht mit besorgtem Blick in die Weite. Was für eine gigantische Verschwendung! Nicht mal saufen tut er mehr.

Tyrion hätte zu einem der größten fiktiven Charaktere überhaupt werden können, wenn man ihm nach der Flucht aus Westeros einen neuen Erzählbogen gegönnt hätte, ein starkes Ziel, das ihn in Konflikt mit den Menschen getrieben hätte, die er liebt und respektiert. Tyrion überrascht nicht mehr.
Ist es noch zu früh, ihn ganz abzuschreiben? Was denkt ihr?

Und reizt ihr eure stärksten Charaktere tatsächlich bis zum Ende aus? Ich bezweifle das. Ich wette, da geht noch mehr. Na los, überlegt euch was Besseres für eure Heldin oder euren Protagonisten. Das seid ihr ihm oder ihr und vor allem euren Lesern schuldig.

PS: In der fünften Episode der siebten Staffel darf Tyrion endlich mal wieder was tun! Ausgelöst wird das, wie schön, von seinem weichen Herz. Denn als er sieht, wie Danaerys vor seinen Augen Leute mit Drachenfeuer hinrichtet, wird ihm bewusst, dass es einen anderen Weg geben muss, Danaerys auf den Thron zu bringen. Und er macht sich daran, diesen Weg zu finden.