„Warum kann ich Plotpoint 1 nicht sehr viel früher & Plotpoint 2 nicht sehr viel später setzen?“ So die Frage eines Lesers von „Plot & Struktur“
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Hier meine Antwort:

Ich weise in „Plot uns Struktur“ darauf hin, dass die Angaben der Stellen für Meilensteine keine Vorgaben sind, sondern Empfehlungen, die sich aus dem ergeben, was Leser gewöhnt sind und was erzählerisch funktioniert. Wenn Sie einen guten Grund haben, davon abzuweichen, sollten Sie das tun.

Außerdem erwähne ich auch, dass das 3-Akte-Schema nur eine von vielen möglichen Strukturen ist. Weil es die einfachste und am weitesten verbreitete ist, stelle ich sie in meinem Ratgeber in den Mittelpunkt. (Die Stellen für die Meilensteine sind aber in fast allen Strukturen ähnlich.)

Jetzt kommt das sehr ausführliche Aber:

Der Ratgeber läuft unter „Meisterkurs“ und richtet sich an Autoren, die schon Romane geschrieben und mit Strukturen gearbeitet haben. Man muss manchen Problemen schon begegnet sein, um die Lösung als hilfreich und sinnvoll zu erkennen.

Die Prozentangaben sind ja keine Erfindung, um Autoren zu ärgern. Sie machen in den meisten Fällen Sinn. Insbesondere für weniger erfahrene Autoren, die nicht schon vier, fünf oder mehr Romane geschrieben haben, sind sie der einfachste Weg, einen funktionierenden Plot zu entwickeln. Es ist eine Hilfestellung, kein Korsett.

Wenn der erste Plotpoint schon sehr viel früher als empfohlen kommt, riskieren Sie unter anderem:
* dass Sie den Lesern die wichtigsten Charaktere noch nicht hinreichend vorgestellt haben;
* dass der Leser sich in der Welt Ihres Romans noch nicht eingefunden und eingerichtet hat;
* dass Sie die Gründe für den ersten Plotpoint, mithin die zentrale dramatische Frage des Romans noch nicht hinreichend erklärt, vorbereitet, eingeführt haben.

Wenn Sie den Plotpoint 2 zu spät setzen, riskieren Sie unter anderem:
* dass das Ende sich übereilt anfühlt;
* dass nicht alle zu lösenden Fragen befriedigend gelöst wurden;
* dass Sie dem Höhepunkt und dem Weg dahin zu wenig Raum geben.

Beide oben genannten Knackpunkte zusammen sorgen zudem dafür, dass der Mittelteil des Romans („Eskalation“) sehr lange wird und in Ihrem Fall dann an die 90 % des Romans ausmacht.
Dabei riskieren Sie unter anderem:
* dass der Leser sich langweilt;
* dass die Probleme und Charaktere nicht tief genug eingeführt wurden, sodass dem Leser die emotionale Bindung fehlt (emotionale Bindung braucht Zeit!) oder das Interesse an den Problemen und sein Verständnis dafür;
* dass der Leser sich fragt, wann die Sache endlich zum Höhepunkt und Ende findet;
* dass der Mittelteil sich zäh und endlos liest;
* dass sich vieles entweder wiederholt;
* dass die Story sich unnötig komplex bis verwirrend entwickelt;
* dass die Eskalation nicht funktioniert (es ist schwierig, 90 % des Romans mit spürbar eskalierender Handlung zu füllen).
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Welche Erfahrungen haben Sie mit sehr frühen oder sehr späten Plotpoints gemacht? Warum haben Sie diese Variante gewählt?
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Plot & Struktur http://j.mp/2clIRjz