So plotten sie dank perfekter Dramaturgie Ihren Bestseller

«Ihre Schreibratgeber sind die besten mir bekannten auf dem Markt.« — Isabell Schmitt-Egner


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Optimieren Sie Struktur & Dramaturgie Ihres Romans

In mehr als siebzig Kapiteln enthüllt dieser Ratgeber Schreibtipps und Tricks, wie Sie Plot und Struktur Ihres Romans optimieren – bei der Planung, beim Schreiben, bei der Überarbeitung. Jedes Kapitel macht Ihren Roman sofort besser.


Die wichtigsten Vorteile von »Plot & Struktur«

+ praktisch und sofort für Ihren Roman anwendbar
+ viele Beispiele aus Romanen und Filmen
+ Tipps, die Sie in keinem anderen Ratgeber finden
+ Lösungen statt Regeln
+ Inspiration und Anregungen für Ihre Ideen
+ verständlich & unterhaltsam


Überblick

Erzählen & Plotten
Erster Akt: Anfang & Exposition
Zweiter Akt: Eskalation
Dritter Akt: Resolution & Ende
Erzählstränge & Subplots
Szenen
Dichtere Geschichten weben


Meisterkurs Romane schreiben — Schreibratgeber für Fortgeschrittene

«Wer klug ist und die richtigen Tipps für die schreibende Zunft haben will, sollte sich alle Bücher von Stephan Waldscheidt zulegen.« — Bell Butterworth


Ich freue mich auf Ihren Roman. Lassen Sie’s krachen!
Stephan Waldscheidt


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Probekapitel: Jetzt geht es nicht mehr nur um ein Pferd — Wendepunkte kenntlich machen

Ein Wendepunkt ist allgemein eine Stelle in Ihrem Roman, wo sich etwas wendet – simpel. Was sich da verändert, können Stimmungen und Gefühle sein, Machtverhältnisse kehren sich um, oder es ändern sich ganz vordergründige Dinge: Ein unscheinbares Männlein geht geduckt in die Umkleide, ein Selbstbewusstsein ausstrahlender Anzugträger kommt breit lächelnd heraus.

Die wichtigsten Wendepunkte in Ihrem Roman sind die Plotpoints 1 und 2 am Ende des ersten beziehungsweise des zweiten Akts. Hier ändert sich die Stoßrichtung des Romans grundlegend, genauer: das Romanziel des Helden.

Ohne diese Punkte wird Ihr Roman nicht funktionieren.

Im ersten Plotpoint am Ende des ersten Akts erhalten die Ereignisse aus dem ersten Akt ihre eigentliche und oft unerwartete Bedeutung. Dieser Punkt ist häufig auch der Punkt ohne Wiederkehr, eine Entscheidung zu einer alles verändernden Tat, einer Tat, die nicht mehr rückgängig gemacht werden kann (kein Vierzehn-Tage-Rückgaberecht für den PP1, sorry): Der Held entschließt sich, das Alien-Raumschiff zu betreten und hinter ihm gleitet die Schleuse zu.

Diesen Punkt kenntlichzumachen, von dem an es kein Zurück mehr gibt, ist fast immer eine gute Idee. Sie geben Ihren Lesern dadurch das Gefühl, eine wichtige Veränderung mitzuerleben. Je besser es Ihnen gelungen ist, dass die Leser sich im ersten Akt mit Ihrem Helden identifizieren, desto stärker empfindet der Leser dieses Gefühl der Unumkehrbarkeit mit.

Wie subtil oder offen Sie das machen, bleibt Ihnen überlassen. Meistens ist es eine gute Idee, den Punkt möglichst szenisch und bildhaft darzustellen, am besten in Handlung verpackt. So vergrößern Sie seine Wirkung.

Setzen wir unser Beispiel mit dem Astronauten fort. Auf seiner Mission findet er ein im All treibendes fremdes Raumschiff. Er dockt an und betritt die Schleuse. Dann hört er etwas, das wie das Wummern eines riesigen Herzens klingt, und er bekommt kalte Füße. Nur raus hier! Hektisch sucht er nach einem Öffnungsmechanismus an der Schleuse, für seinen Rückzug. Aber er findet keinen! Er trifft eine Entscheidung: Selbstmord aus Angst oder voran, tiefer ins Raumschiff der Aliens. Der Punkt ohne Wiederkehr ist hier einer im Wortsinne. Der Held muss sich den kommenden Herausforderungen stellen.

Sicher kennen Sie die Szene aus »Der Herr der Ringe«, wo Frodo sich inmitten der Bruderschaft des Rings dazu bereiterklärt, den Ring zum Schicksalsberg zu bringen. Ein Setpiece mit vielen Charakteren und ein klassischer erster Plotpoint. Die gelungene Visualisierung erfolgt – hier ist die Filmfassung dem Buch gegenüber im Vorteil – schon allein durch die Größenunterschiede: Auf der einen Seite die im Wortsinne großen Helden wie Gandalf, Aragorn, Boromir, Legolas, auf der anderen Seite die kleinen Hobbits, die selbst noch von Zwerg Gimli überragt werden. Und ausgerechnet einer dieser Winzlinge sagt den entscheidenden Satz: »Ich werde den Ring nehmen, auch wenn ich den Weg nicht weiß.«

Bedeutend kleiner kommt der erste Plotpoint in dem Film »Collateral« rüber, wo Auftragskiller Vincent sich von einem Taxifahrer zu seinem ersten Mord fahren lässt (USA 2004; Regie: Michael Mann; Drehbuch: Stuart Beattie).
Als die erste Leiche vor den Augen des ahnungslosen Fahrers auf ein Auto kracht, haben wir zwar einen hoch dramatischen Moment. Das aber ist erst der Katalysator, der den ersten Plotpoint verursacht (dazu unten noch mehr), nicht der Wendepunkt selbst.
Der eigentliche Plotpoint ist Vincents Entscheidung: Er kann den Taximann Max erschießen – oder er macht aus der Not eine Tugend und engagiert Max für den Rest der Nacht und den Rest seiner Morde. Schließlich hat der aus dem Fenster gefallene Tote ihm sein Auto kaputtgemacht.

Erst als Killer Vincent (verkörpert von Tom Cruise) dem Taximann Max (Jamie Foxx) mit vorgehaltener Waffe sagt, er werde ihn für die ganze Nacht engagieren, ist die zentrale Entscheidung für den Roman gefallen.

Übrigens trifft auch Max eine Entscheidung. Vincent erleichtert sie ihm zwar – mit vorgehaltener Pistole. Aber Max könnte sich dennoch weigern, es darauf ankommen lassen und hoffen, dass auch ein Profikiller aus zehn Zentimetern Entfernung mal danebenschießen könnte. Max entscheidet sich dafür, Vincents Spiel mitzuspielen. Kluger Max.
Der Plotpoint aber gehört Vincent, weil er der Protagonist ist: Es ist seine Entscheidung, Max zu engagieren, die für den Plot zentral ist.

In seinem Psychothriller »Schwarzer Schmetterling« (Droemer 2012) lässt Autor Bernard Minier seinen Protagonisten einen Wendepunkt spüren und teilt dieses Gefühl dem Leser mit.
Ein kostbares Pferd wurde getötet und die Leiche am oberen Ende einer einsamen Seilbahn hoch in den Pyrenäen aufgehängt. Bizarr, aber wenigstens kein Mord an einem Menschen. Der lässt nicht lange auf sich warten. Nach dem Fund der Leiche eines Mannes denkt Ermittler Servaz:

Jetzt geht es nicht mehr nur um ein Pferd, sagte er sich, von nun an ist es viel ernster.

Dieser erste Plotpoint kommt übrigens nach 23 % des Gesamttextes, ist also perfekt platziert.

Minier will anscheinend in jedem Fall vermeiden, dass seine Leser den Wendepunkt verpassen. Denn zwei Seiten weiter legt er noch einige Schaufeln auf:

Servaz hatte plötzlich das Gefühl, sich in einem langen Flur voller geschlossener Türen zu befinden. Hinter jeder verbarg sich ein unerwarteter, beunruhigender Aspekt des Falls. Er fürchtete sich davor, diesen Flur zu betreten und die Türen aufzustoßen. In seiner Vorstellung wurde der Flur seltsam von einer roten Lampe beleuchtet – rot wie Blut, rot wie der Zorn, rot wie ein schlagendes Herz. Während er sich das Gesicht mit kaltem Wasser besprengte, einen Knoten der Angst in der Magengrube, gelangte er zu der Gewissheit, dass sich bald zahlreiche andere Türen öffnen würden – und den Blick in Zimmer freigeben, von denen eines so dunkel und unheimlich wäre wie das andere. Dies war erst der Anfang …

Mir ist das jetzt eindeutig zu viel, und bei dem Klischee »Dies war erst der Anfang« hätte ich das Buch beinahe in die Ecke gefeuert. (Ich habe es zu Ende gelesen.) Dennoch, was Minier hier tut, ist funktional und noch immer besser als die Alternative: keinen für den Leser spürbaren ersten Plotpoint zu setzen.
Was Minier richtig macht: Er verknüpft den Wendepunkt mit starken Bildern: dem Flur mit den vielen Türen, die unheilvolle rote Lampe. Und diese Bilder erzeugen die so entscheidenden Gefühle im Leser.
Freilich: Eine tatsächlich stattfindende Handlung in der Erzählgegenwart hätte ein noch stärkeres Bild erzeugen können.

Ob die Figuren etwas von dieser Wende mitbekommen, ist nicht entscheidend. Im Gegenteil, es mag sogar manchmal kontraproduktiv wirken, weil es dem Leser klar macht, dass er »nur« eine Geschichte liest und sie nicht selbst erlebt.

Wichtig ist, dass der Leser die Wende spürt. In Großbuchstaben: SPÜRT. Es kommt auf die Emotionen des Lesers an, nicht auf ein intellektuelles Wissen. Dafür soll er Sachbücher konsultieren, keine Romane.
Nur wenn der Leser die Veränderungen in Ihrem Roman fühlt, hat er das Gefühl, die Handlung schreite voran. Ob Sie dafür zu solch plakativen Mitteln greifen wie Minier hier, bleibt Ihnen überlassen.
Aber bedenken Sie: Der in Romanstruktur unbewanderte Leser wird die Stelle nicht als plakativ erkennen. Dass er die Veränderung auf irgendeine Weise zu spüren bekommt, ist essenzieller als literarisch gutgemeinte, aber letztlich ineffektive Subtilität des Autors.

Die hat schon so manchen Roman das Leben gekostet – ein Punkt ohne Wiederkehr für den Leser.

Um den Leser das Ereignis spüren zu lassen, hilft es, wenn Sie das Davor und das Danach deutlich machen. Wie Colm Tóibín das in seinem literarischen Bestseller »Brooklyn« (Viking 2009) tut. Darin kommt der erste Plotpoint nach etwas mehr als 20 % des Textes, ist also ebenfalls perfekt platziert. Ja, in einem literarischen Werk, das nicht nur mit Kritikerlob und Preisen überschüttet wurde, sondern dem man auch eine oscarnominierte Verfilmung angedeihen ließ.
Vor dem ersten Plotpoint spielt der Roman in Irland und auf der Überfahrt, nach dem ersten Plotpoint ist Eilis in Amerika. Die unterschiedlichen Schauplätze vor und nach dem Plotpoint helfen hier, den Punkt prägnanter zu gestalten.

Sind die Wendepunkte in Ihrem Roman klar erkennbar, gar dramatisiert? Für die zentralen Plotpoints ist das Pflicht, für kleinere Wendepunkte die Kür.
Spürt der Leser auch die Auswirkungen der Wendepunkte? Das heißt, ändert Ihr Roman danach tatsächlich merklich seine Richtung? Zu oft passiert es, dass ein Autor brav die Plotpoints abhakt – aber die Entscheidung des Protagonisten im Folgenden keinerlei Konsequenzen nach sich zieht. Ihnen passiert das nun hoffentlich nicht mehr.


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