Wie schreibe ich einen Prolog? Der Prolog sollte die Sprungschanze in Ihren Roman sein
Der Prolog sollte die Sprungschanze in Ihren Roman sein …


Warum Autoren einen Prolog schreiben: Drei falsche Gründe — Prolog, revisited

Brauche ich einen Prolog für meinen Roman? Kaum eine Frage treibt Autoren so um wie diese. Auch ich habe schon manches zum Prolog geschrieben, sowohl hier im Blog als auch in »Bessere! Romane! Schreiben!«. In einer kleinen Artikelreihe schreibe ich heute über (die falschen) Gründe, warum Autoren einen Prolog schreiben und beim nächsten Mal über (die richtigen) Gründe, die einen Prolog sinnvoll machen.

Zur Beruhigung: Es gibt Wichtigeres als die Frage Prolog oder nicht. Dass dieses Thema dennoch gerade weniger erfahrenen Autoren so bedeutend erscheint, hat vor allem drei Gründe. Wahrscheinlich erkennen Sie sich in dem einen oder anderen wieder.


Warum Autoren einen Prolog schreiben – Falscher Grund 1: Backstory

Viele Autoren vertrauen ihrer eigenen Geschichte nicht oder nicht genug. Sie vertrauen dem Leser nicht und vor allem vertrauen sie sich selbst nicht. Sie glauben, sie müssten dem Leser etwas mitgeben, was ihm die nachfolgenden Szenen verständlich macht. Was die Beweggründe der Charaktere erklärt. Was die Welt des Romans vorstellt. (Mit dem letzten Punkt befassen wir uns weiter unten noch intensiver.)

Der Prolog dient als Müllkippe aus Informationen, als der berühmte Infodump, und wie die Müllkippen in freier Natur sind auch Infodumps nicht mehr zeitgemäß. Das Bild des Mülls können wir weiterspinnen.
Warum lädt man Müll nicht mehr einfach weiter am Stadtrand ab? (Außer in Neapel.) Weil er das Grundwasser verseucht und damit langjährige Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Ein Infodump verseucht Ihnen das Grundwasser Ihres Romans. Seine negativen Auswirkungen sind spürbar: Er stört das Lese-Erlebnis, indem er einen schlechten Ersteindruck des Romans hinterlässt – eine negative Stimmung, die sich über viele Seiten in den Roman hineinzieht.
Eine Müllkippe ist ein Berg. Für Besucher der Stadt ist dieser Berg das erste, was sie von der Stadt sehen. Die Stadt dahinter mag schön sein, ebenso der Roman hinter dem Infodump. Der Leser aber sieht nur den Müll. Wollen Sie Ihre Leser tatsächlich so empfangen?

Was ist die Alternative zur Müllkippe? Die häufigste Antwort der Kommunen: Müllverbrennung! Eigentlich keine schlechte Idee, auch nicht für Ihren Roman. Statt dem Leser einen Müllberg hinzukippen, versorgen Sie ihn lieber mit der Energie, die in dem Müll steckt. Ziehen Sie die wesentlichen Konflikte, die Spannung und was mehr in Ihrem Infodump steckt heraus und befeuren Sie damit die Handlung.
Eine zweite Alternative ist nicht nur in der kommunalen Wirklichkeit die elegantere, sondern auch in Ihrem Roman: Müllvermeidung! Sorgen Sie in Ihrem Roman dafür, dass sich erst gar nicht so viel Backstory ansammelt. Das können Sie erreichen, indem Sie weniger in Informationseinheiten denken und mehr in Handlungseinheiten. Statt »Petra hat rotes Haar« denken Sie »Petra litt unter ihren roten Haaren und wurde in der Schule gehänselt: Feuermelder! Einmal hat ein Junge ihr die Haare angezündet. Die Narben machen Petra bis heute unsicher bei neuen Bekanntschaften«. Handlungen sind es, die Ihre Kreativität mehr entzünden (sorry, Petra) als Informationen. Dann müssen Sie nur noch der Versuchung widerstehen, sie hinzuschreiben, falls sie nichts mit dem Plot zu tun haben.


Warum Autoren einen Prolog schreiben – Falscher Grund 2: Position

Der Prolog steht am Anfang eines Romans. Und der Anfang ihres Romans ist das, was die meisten Autoren beschäftigt. Der Grund dafür ist banal: Der Anfang ist das Teil ihres Romans, den die meisten Autoren schreiben. Bis zum Schluss kommen nur noch wenige.
Interessant ist, dass der Prolog damit auch für viele Autoren das darstellt, was er für viele Leser bedeutet: eine Zugangsbarriere, die den Einstieg in den Roman verzögert, wenn nicht sogar erschwert oder, im schlimmsten Fall, verhindert.
Statt sich selbst also damit das Leben und das Schreiben leichter zu machen, wie sie denken – etwa über das Abladen von Informationen –, machen sie es sich in Wahrheit schwerer. Denn statt die erste Szene zu schreiben, mit der die eigentliche Handlung startet, halten sie sich mit Nebenkriegsschauplätzen auf, feilen an Absätzen herum, die sie gar nicht brauchen, und sind ihrer ersten richtigen Szene danach noch immer nicht näher gekommen.
Im Gegenteil. Denn der Prolog verlangt eben auch einen Übergang zur ersten Szene. Der Prolog verlangt vermeintlich, dass die erste Szene dahinter nicht in der Spannung abfallen darf – das Schreiben der ersten Szene wird schwerer und schwerer.
Ich möchte zu gerne wissen, wie viele Autoren schon im Prolog ihren Roman aufgeben.


Warum Autoren einen Prolog schreiben – Falscher Grund 3: Prokrastination

Dieses Herumfeilen am Prolog macht Autoren nicht nur den Einstieg in den eigentlichen Roman schwieriger. Er erspart ihnen auch etwas: sich mit der ersten Szene zu beschäftigen — und mit der Menge an Plot danach.
Solange man am Prolog herumfeilt, ist man ja noch auf der vermeintlich sicheren Seite. Man kann dem Leser all die schönen Informationen präsentieren, die man beim Brainstorming zum Roman bislang gesammelt oder sogar recherchiert hat. Einen Prolog zu schreiben ist so etwas wie Vorschule. Irgendwie zählt das noch nicht so richtig. Man darf sich noch austoben, darf noch ein freier Autor, eine unbeschwerte Autorin sein. Der Ernst des Lebens fängt dann an, wenn man die erste Szene schreiben muss.
Einen Prolog zu schreiben, kann riesigen Spaß machen. Man darf sich so richtig austoben, nicht wahr?

All das kann ich gut nachvollziehen. Es macht die Sache nicht besser. Denken Sie an das Bild der Müllverbrennungsanlage: Die Energie, die Sie in den Prolog stecken, stecken Sie schon mal nicht in den eigentlichen Roman. Statt sich von der eigentlichen Handlung mitreißen, statt sich von den Zielen der Charaktere mit durch den Roman ziehen zu lassen, vergeuden Sie Energie und Kreativität mit Dingen, die Sie letztlich vom Schreiben abhalten.

Dass für manche Autoren das Schreiben eines Prologs eher etwas Spielerisches hat, kann dafür sorgen, dass dem Prolog das Konzentrierte und ein Fokus fehlen.
Stellen Sie sich den Prolog wie einen Trichter vor.
Ein guter Prolog führt den Leser in den Roman hinein: von der weiten Öffnung des Trichters hinein und ganz konzentriert hinaus in die erste Szene.
Ein schlechter Prolog ist wie ein falsch herum gehaltener Trichter. Er macht dem Leser den Einstieg schwer und statt ihn anschließend auf eine Szene zu fokussieren, entlässt er ihn vage und breit in eine Geschichte ohne Grenzen und ohne roten Faden.

Haben Sie sich bei einem der Gründe wiedererkannt? Bei mehreren? Kein Problem. Lesen Sie nochmals den Artikel über das Schreiben eines guten Prologs: So schreiben Sie einen Prolog — und so lassen Sie ihn weg. Und nächste Woche den Artikel, wo ich über die Gründe schreibe, die einen Prolog sinnvoll, ja, wertvoll für den Roman und Ihre Leser machen.

Danke fürs Lesen. Und jetzt weiter im Text. In Ihrem.

Stephan Waldscheidt

(c) SW 2014


??? Meine Frage an Sie: Wie halten Sie es mit dem Prolog in Ihrem Roman? Ich bin gespannt auf Ihre Antwort — bitte hier als Kommentar … Ich freue mich auch über Kommentare, die diese Fragen nicht beantworten 🙂


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