Der richtige Ratgeber für Sie

Kaum ein Artikel hat bislang eine solche Fülle von Kommentaren provoziert wie der Artikel von letzten Freitag über Die Angst des Autors vor dem Einheitsbrei, wo es um die Bedeutung von Erzähltechniken und Schreibratgebern geht. Wen das Thema interessiert, der liest in den Kommentaren dazu einige interessante Ansichten zu Ratgebern.

Einige Autoren fühlen sich von Schreibratgebern unter Druck gesetzt, was ich gut nachvollziehen kann. Beim Lesen bekommt der Autor das Gefühl, ja alles richtig machen zu müssen – und spürt zugleich, dass ihm das nicht gelingen wird. Als ob das Schreiben eines Romans nicht schon schwierig genug wäre! Der Ratgeber erscheint auf einmal nicht als das, was er sein sollte, sondern als strenger Lehrer und Kontrolleur, der nicht zu bewältigende Hausaufgaben aufgibt.

Manche denken, dass man durch Lesen oder das Ansehen von Filmen ein Gefühl für die Regeln bekommt (wobei diese »Regeln« ja als Regelwerk nicht existieren und nicht Weniges umstritten ist). Vor dieser Ansicht möchte ich warnen. So wie das Anhören von Musik vielen ein Gefühl für Harmonien gibt, lernen die wenigsten dabei genug, um eigene Lieder zu komponieren.

Nochmal, weil ich es für so wichtig halte: Aus dem Lesen von Büchern lernen Sie so wenig über Schreibtechniken wie aus dem Ansehen einer Brücke über Statik. Erst wenn Sie die Schreibtechniken kennen, wissen Sie, worauf Sie beim Lesen achten müssen. Erst dann können Sie einen Roman auf das dahinterstehende Handwerk analysieren und Ihren eigenen verbessern.
In diesem Fall empfehle ich ausnahmsweise, dass Sie die eigenen Fähigkeiten lieber etwas unter- als überschätzen sollten. Wer noch nie etwas vom ersten Wendepunkt gehört hat und seiner Funktion, in den zweiten Akt überzuleiten und den eigentlichen Roman anzustoßen, der wird diesen Wendepunkt auch nicht finden.

Über Schreibratgeber schreibt Jasmin W. etwas ganz Wichtiges: Es kommt auf die Ziele an, die man mit dem Schreiben verfolgt. Wer Geld mit dem Schreiben verdienen will, muss professioneller werden als jemand, der nur irgendwie mal veröffentlicht werden will. Wer Leute hinreißen will, muss bestimmte Techniken beherrschen.

Und sie schreibt noch etwas: Man sollte Schreibratgeber als Inspiration sehen. Genau. Selbst wenn mir ein Schreibratgeber nix Neues beibringt, mich aber auf eine Idee bringt, wie ich die schlappe Szene aufpeppe, an der ich gerade schwitze, hat sich die Lektüre schon gelohnt.

Was Sie aus einem Schreibratgeber lernen (oder aus einem Seminar oder einer Schreibschule oder einem Coaching) hängt von folgenden Faktoren ab:
– ob der Ratgeber Ihre Sprache spricht;
– ob er die Dinge für Sie verständlich erklärt, in der Ihre größten Schwächen liegen;
– wie viel Verständnis Sie bereits für die Techniken mitbringen;
– wie viel Schreiberfahrung Sie mitbringen.

Ein Beispiel: Wenn Sie vor zwei Jahren Freys »Wie man einen verdammt guten Roman schreibt« gelesen haben, hat Ihnen das vielleicht wenig gebracht. Wenn Sie ihn heute wieder läsen, mit zwei Jahren mehr Erfahrung und Wissen, würden Sie womöglich mehr davon profitieren.
Sprich: DEN richtigen Schreibratgeber für Sie gibt es nicht. Und das hängt nicht nur von den Ratgebern ab, sondern auch von Ihnen.

Von den auf Deutsch erhältlichen Schreibratgebern empfehle ich keinen uneingeschränkt. Was nichts heißen muss. Erstens kenne ich zwar viele, aber nicht alle. Und vielleicht habe ich sie zur falschen Zeit gelesen, war womöglich noch nicht reif genug. Für Sie mögen die perfekten Titel dabei sein, die Ihr Schreiben auf die nächste Stufe heben. Reinlesen, ausprobieren.

Am tiefsten ins Schreibhandwerk einsteigen kann man, sofern man die englische Sprache beherrscht, mit den zahlreichen Titeln aus dem Writer‘s Digest Verlag. Die Titel aus diesem Verlag zählen zum Besten, was es auf dem Markt gibt und schlagen meiner Meinung nach alles, was auf Deutsch so erhältlich ist. Stöbern Sie mal bei Amazon oder direkt bei Writer‘s Digest. Das Abonnement der gleichnamigen Zeitschrift empfehle ich ebenfalls jedem, der professionell schreiben möchte.

Ansonsten empfehle ich schriftzeit.de, morgen wieder 🙂 Danke fürs Lesen.

(c) Stephan Waldscheidt 2011

Die nächsten Roman-Workshops. Jetzt anmelden.
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Samstag, 24. September, Karlsruhe: Romane schreiben — Die Grundlagen: Charaktere erschaffen & Plotten
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Anmeldung bis zum 30. August
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Samstag, 8. Oktober, Karlsruhe: Ihr Roman auf dem Prüfstand
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Sorry, das Seminar ist ausgebucht. Aber für den 24. September sind noch Plätze frei.
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??? Meine Frage an Sie: Welche Schreibratgeber (oder Seminare usw.) empfehlen Sie? Warum? Ich bin gespannt auf Ihre Antwort — bitte hier als Kommentar …
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