Liebe schriftzeit-Leser,

gestern erreichte mich eine ungewöhnlich lange Mail, und die möchte ich Ihnen nicht vorenthalten. Übers Schreiben lernen Sie darin zwar nichts. Die Leserin aber verleiht auf eine wunderschöne Weise dem Ausdruck, was mir bei meiner Arbeit an schriftzeit und meinen Schreibratgebern wichtig ist. Ich hoffe, dass noch mehr von Ihnen einen ähnlichen Eindruck von meiner Arbeit haben.

Wem diese Menge an Lob zu viel Weihrauch ist (was ich durchaus verstehen könnte), der findet hier den neuesten Artikel vom 3. Februar, »Vom Autodieb zum Verfolgten – Die (Selbst-)Erkenntnis vor dem ersten Plot-Point«.

Stephan Waldscheidt
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Hallo Herr Waldscheidt,

Ich glaube ja eigentlich nicht an Schicksal, und Zufall ist so ein Wort, das
ziemlich abgedroschen klingt. Aber irgendwas zwischen Schicksal und Zufall
muss es wohl gewesen sein, das mich auf Ihre Seite geführt hat.
„Geburtshelfer“ war wohl Google, wie so oft, und „Pinch Point“ das
störrische Kind, das mich bei Ihnen reinstolpern ließ. Das ist schon
irgendwie skurril – diese zwei Worte, die man aus dem Englischen einfach
nicht so recht übersetzen kann und die nur einen kleinen Teil des
Geschichtenschreibens ausmachen, brachten mich auf Ihren Blog. Zu Ihren
Artikeln. Zu Ihren Ratgebern. Zu Ihrem Roman.

Und ich bin restlos begeistert! Mehrere Aspekte sind dafür
hauptverantwortlich:

1. Sie sind authentisch – ich kaufe Ihnen sofort ab, dass Lesen, besonders
das Lesen von guten Geschichten, Ihre Leidenschaft ist. Man, oder genauer
gesagt ich, konnte ihre Liebe zu (guten) Geschichten aller Art in jedem
Kapitel herauslesen. Warum? Weil es unglaublich selten ist, dass jemand
einen Ratgeber schreibt (nicht, dass ich bisher besonders viele davon
gelesen hätte – die Buchvorschau hatte da meist schon zur Abschreckung
gereicht) und dabei aus so ziemlich allen Genres des Buch- wie auch des
Filmmarktes Beispiele bringt. Sie „schießen“ sich nicht auf ein Genre ein,
sie belächeln keines, behandeln keines von „oben herab“ oder tun eine
Geschichte als weniger (literarisch) wertvoll ab, nur weil sie einem
„Nischengenre“ entstammt.

Zudem finden Sie auch in (Ihrer Meinung nach – zwar stimme ich meist, aber
doch nicht immer mit Ihnen und Ihrer Argumentation überein, was, wie Sie
ebenfalls hervorheben, schlichtweg der individuellen Leseerwartung
geschuldet ist) eher unglücklich verfassten Romanen positive Aspekte, und
wenn es nur zu Lernzwecken ist. Aber: Ihr Ton dabei bleibt respektvoll –
auch den Büchern und Autoren gegenüber, die ihrer Meinung nach
(handwerkliche) Fehler enthalten bzw. begangen haben.

Das ist so selten, und wiederum eine Erinnerung an mich selbst (die ich sehr
wohl klare Präferenzen habe und über das ein oder andere Genre eher
schmunzeln muss statt es ernst nehmen zu können) meine festgefahrene Meinung
doch mal zu überdenken.

2. Sie sind engagiert, ohne dabei jedoch den „Oberlehrer rauszukehren“. Sie
halten Ihrem interessierten Leser einen Spiegel vor, mahnen: „Nein, tu’s
nicht, das ist Mist, und zwar aus diesem und jenem Grund.“ Und direkt im
Anschluss daran, dass Sie „mich“ zerpflückt und mir klar gemacht haben, dass
das, was bzw. wie ich es geschrieben habe, durchaus verbesserungswürdig ist,
zeigen Sie „mir“, wie es geht. Sie bringen etliche Beispiele, erklären klar
verständlich und nachvollziehbar, und schon beim Lesen kamen mir viele
Ideen, wie ich die eine oder andere Szene meines Projektes deutlich
verbessern könnte. Sehr ärgerlich ist, dass mir erst am Ende der Lektüre
(des ersten Ratgebers!) die Idee gekommen ist, nebenher direkt Notizen zu
machen; aber ich werde alles gerne noch einmal lesen.

3. Ich glaube Ihnen, dass Sie echtes Interesse daran haben, anderen
(Hobby-)Autoren zu guten Romanen zu verhelfen, schon allein deshalb, weil
Sie selbst so gerne lesen. Ich glaube Ihnen, dass Sie an „mich“, an die
vielen guten Ideen in den Köpfen der vielen kreativen Menschen, die Sie gar
nicht kennen, glauben, dass Sie neugierig auf diese sind und dass Sie
wollen, dass den guten Ideen auch mit einer guten Schreibe zum Ausdruck
verholfen wird. Diese Art von „Egoismus“ finde ich großartig! 🙂

Ganz davon abgesehen, dass Sie es damit schaffen, wenigstens mir einen
unglaublichen Motivationsschub zu verpassen. Weil Sie zwar schreiben, was
man tunlichst vermeiden sollte, aber weil Sie stets betonen dass es
wichtiger ist überhaupt zu schreiben, statt in Schockstarre zu verfallen ob
des eigenen schlechten Stils, den man eventuell noch pflegt. Ist ja auch
nicht so wild, bedeutet nur mehr Aufwand beim Überarbeiten. Und es ist noch
kein Meister vom Himmel gefallen. Das betonen zwar auch andere immer wieder,
und neu ist das schon gar nicht, aber Ihre Art einem das klar zu machen ist
es sehr wohl. Um mal meinerseits ein Klischee zu bedienen:

Sie sind der freundschaftliche Mentor, der mich bei meinen ersten
Gehversuchen fordernd und helfend begleitet, aber nicht der strenge
Oberlehrer, der alles besser weiß und vor allem weiß, dass er besser ist als
ich vermutlich je sein werde.

4. Sie schreiben schon im Vorwort, dass man bei Ihnen lesen würde, was so
noch in keinem Ratgeber steht. Nun… inhaltlich gesehen nicht unbedingt, denn
das Handwerkliche ist kein Teufelswerk, und dass man das lernen kann, dass
es hier rhetorische und handwerkliche Elemente gibt, die es zu verstehen und
korrekt anzuwenden gilt, um ganz bewusst die eine oder andere Reaktion beim
Leser hervorzurufen, ist längst bekannt.

Aber: Sie schreiben auf eine neue, erfrischende Art, würde ich behaupten.
Eine Schreibweise, die einem Ratgeber auf den ersten Blick nicht unbedingt
als „angemessen“ erscheint, gerade in literaturwissenschaftlicher Hinsicht:
Kein theoretisches Fachsimpeln, keine verklausulierte Hochsprache, kein „ich
weiß es, weil ich so viele tolle Romane geschrieben habe, also halt dich an
mich, und du kannst das vielleicht in 100 Jahren auch“-Gehabe.

Stattdessen aber ganz viele Beispiele, die wirklich auch verdeutlichen, was
Sie meinen. Und stets der Hinweis darauf, dass Lesevergnügen etwas
Subjektives ist und man daher eben auch nie sagen kann „so und genau so muss
es sein, damit es erfolgreich wird“, sondern dass ein Kniff zwar mit hoher
Wahrscheinlichkeit die gewünschte Wirkung erzielen wird, aber eben nicht bei
jedem Leser. Was auch dazu führt, dass ich nicht immer mit Ihnen
übereinstimme, was aber meinem Empfinden nach nur umso eher Ihren jeweiligen
Standpunkt verdeutlicht, einfach weil ich anfange, mich bewusst damit
auseinanderzusetzen. Das motiviert!

5. Und: Sie schreiben herrlich leicht! Ihre Ratgeber lassen sich beinahe so
flüssig lesen wie eine gute Geschichte, obwohl die Kapitel keineswegs immer
nur logisch aufeinander aufbauen und zu jedem Thema auch erschöpfend alles
Wissenswerte erläutert würde. Das ist wohl der Tatsache geschuldet, dass die
Bücher auf der Basis Ihrer Blogartikel entstanden sind. Dennoch – ich bin
innerhalb von 2 Tagen bei der Hälfte des zweiten Ratgebers angekommen (der
viele der im ersten angesprochenen Aspekte vertieft oder aus einem anderen
Blickwinkel beleuchtet), und der dritte folgt sicher in ebenso kurzem
Abstand. Zudem musste ich nach dem Genuss der Leseprobe Ihres Romans auch
diesen gleich kaufen (und das, obwohl dies gemeinhin überhaupt nicht meinem
bevorzugten Genre entspricht!), aber hierfür gibt es dann an anderer Stelle
eine Rezension.

So, sehr lange Rede, ganz kurzer Sinn: Danke für Ihre wohlwollende Hilfe!

Herzliche Grüße und bitte schreiben Sie noch viele weitere Artikel!

Melanie J.

PS:

Gerne hätte ich das auch auf Ihrer Seite als Kommentar gepostet, wusste aber
nicht wo. Daher eben die Mail 🙂

[Anm. d. Red.: Unterhalb des Beitrag-Titels findet sich der Link „Hinterlasse eine Antwort“. Ungünstig platziert, wenn man gerade den Beitrag gelesen hat, aber leider kann ich diese Position nicht beeinflussen. Deshalb setze ich normalerweise zusätzlich einen Link zu den Kommentaren am Ende jedes Beitrags.
Nachdem ich Melanie gefragt habe, ob sie etwas gegen den Abdruck des Artikels einzuwenden hätte, bekam ich folgende Antwort:]

Aber Sie dürfen sehr gerne meine Mail auf Ihrer Seite abdrucken, das hatte
ich ja ohnehin vorgehabt, nur keinen passenden Ort dafür gefunden. Ich würde
Sie nur darum bitten, meinen Nachnamen einfach abzukürzen… nennen Sie mich
paranoid, aber ich versuche mittlerweile, halbwegs unsichtbar im Netz zu
bleiben (mit leider mäßigem Erfolg).