Wie Sie Geheimnisse in Ihrem Roman zu Sprengstoff machen

Geheimnisse sind spannend und werten einen Roman auf. In vielen Ratgebern können Sie nachlesen, dass jeder wichtige Charakter ein Geheimnis haben sollte. Gute Idee. Aber nicht gut genug für uns hier. Oder für Ihren Roman. Denn wie schon in den Jahren zuvor geht es auch 2014 auf schriftzeit.de darum, wie Sie nicht nur gute, sondern bessere Romane schreiben. Und damit erst einmal: Alles Gute fürs neue Jahr. Mögen Sie einen tollen Roman anfangen / schreiben / fertigstellen / veröffentlichen.

Was Geheimnisse leisten können, deutet Giles Foden in seinem Roman »Turbulence« an (Faber & Faber 2009 / dt. »Die Geometrie der Wolken«). Der Ich-Erzähler, Meteorologe Henry Meadows, wird in Schottland des zweiten Weltkriegs als Spion der britischen Regierung zu dem berühmten Wetterforscher Ryman geschickt. Ryman nämlich hat sich aus der Forschung zurückgezogen und arbeitet an Friedensstudien. Der Regierung will er nicht helfen, dem Krieg nicht dienen. Meadows soll auskundschaften, wie Rymans letzte Forschungen dazu benutzt werden können, das Wetter für den D-Day zuverlässiger vorherzusagen. Er geht um nicht weniger, als den wettermäßig günstigsten Zeitpunkt für die Landung der Alliierten in Frankreich herauszufinden.
Meadows verliebt sich in die Frau seines Gastgebers Ryman. Während eines Essens entschuldigt sich Meadows auf die Toilette. Tatsächlich schnüffelt er im Haus herum, um Aufzeichnungen des Professors zu finden. Während er in Rymans Büro zu Gange ist, wird er von Rymans Frau Gill überrascht.
Meadows’ Geheimnis – in Wahrheit kein einfacher Meteorologe zu sein, sondern ein Spion – erfährt dadurch eine signifikante Änderung. Denn Gill verrät ihn nicht. Dadurch wird sie zur Mitwisserin und das Geheimnis wird ein geteiltes Geheimnis.

Was bedeutet das? Erinnern Sie sich daran, was ich in dem Artikel »Smaugs Nummernrevue« geschrieben habe: »In jedem Roman geht es in erster Linie um Beziehungen.« Und weil das so ist, wird ein Geheimnis oft erst dadurch richtig spannend, wenn es ein geteiltes Geheimnis ist.
In diesem Beispiel aus »Turbulence« bringt es zwei Charaktere näher zusammen und deutet zugleich noch etwas anderes voraus, was später enthüllt wird. Vor allem aber sorgt es für weitere Energie im Roman: Konflikt.

Sehen Sie Geheimnisse wie Knospen eines Apfelbaums. Wenn sie (allen) offenbart werden, haben Sie den fertigen Apfel. Aber wenn Sie das Geheimnis nur einer Person oder einem bestimmten Personenkreis verraten, haben Sie die Blüte: Und die sorgt für Schönheit, die sorgt für die Frage, ob ein Apfel daraus wächst und ob es ein schöner Apfel wird, die sorgt für die Bestäubung weiterer Blüten …

Ein Geheimnis, das nur in einer Person bleibt, kann für innere Konflikte sorgen. Das ist gut. Ein geteiltes Geheimnis aber kann zusätzlich für zwischenmenschliche Konflikte sorgen. Das ist oft besser. Es ist aus deshalb besser, weil es eine Veränderung zeigt. Und um Veränderungen geht es ja zentral in fast jedem Roman.

Ein geteiltes Geheimnis kann noch mehr leisten, je nachdem, wer das Geheimnis teilt. Was, wenn der Held und der Gegenspieler in Ihrem Roman ein Geheimnis teilen würden? Eins, das sie beide belastet? Das Geheimnis sorgt womöglich dafür, dass beide (für eine Weile zumindest) am selben Strang ziehen müssen. Das Geheimnis schweißt sie zusammen – mit anderen Worten: Sie haben den berühmten Schmelztiegel à la Schreibguru Sol Stein.

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Ein geteiltes Geheimnis wird dann besonders spannend, wie hier in »Turbulence«, wenn es unfreiwillig zu dieser Teilung kommt. Meadows hatte nicht vor, Gill wissen zu lassen, dass er sich für die Arbeit ihres Mannes interessiert – auf eine sehr verdächtige Art und Weise. Und Gill hatte nicht vor, in diese Sache hineingezogen zu werden. Auch das Unfreiwillige bedeutet: noch mehr Konflikt, also noch mehr Energie für Ihren Roman.
In diesem Fall macht es die sich anbahnenden Liebe der beiden von Beginn an komplizierter.

Die Teilung eines Geheimnisses sorgt dafür, dass eine Beziehung sich verändert und interessanter wird. Die Teilung eines Geheimnisses kann Charaktere dazu zwingen, ihre Entscheidungen zu ändern oder eine andere Richtung einzuschlagen. Das heißt: Es kann wunderbar als Vorbereitung eines Wendepunkts / Plotpoints in Ihrem Roman dienen.

Die Teilung eines Geheimnisses erhöht die Gefahr, dass es offenbart wird. Wie jeder weiß, ist ein Geheimnis nur dann sicher, wenn niemand es kennt. Der Leser weiß das auch. Sobald aber ein anderer als der ursprünglich alleinige Geheimnisträger eingeweiht ist, scheint es nur eine Frage der Zeit, bis es enthüllt wird. Und weil der Leser genau das weiß, funktioniert das geteilte Geheimnis als Damoklesschwert.
Das schwebt in unserem Beispiel über dem Kopf des Ich-Erzählers: »Wann wird Gill es ihrem Mann verraten? Wann wird er mich zur Rede stellen, mich auffliegen lassen? Habe ich die Sache vermasselt? Wird wegen mir die Landung der Alliierten zur Katastrophe?«
Wenn die Einsätze wie in »Turbulence« entsprechend hoch sind – von der Enthüllung dieses Geheimnissen kann der Ausgang des Weltkriegs abhängen, mehr Einsatz geht ja kaum noch –, steigt die Suspense ins Extreme.

Welches Geheimnis in Ihrem Roman könnte geteilt werden? Was steht auf dem Spiel? Sehen Sie sich die wichtigsten Geheimnisse an. Wäre es nicht spannender, wenn die Ehefrau ihr Geheimnis – sie ist lesbisch – nicht die ganze Zeit vor der ganzen Welt verstecken würde, sondern wenn ihre Schwägerin, die Schwester ihres Mannes, sie zufällig aus einer einschlägigen Bar herauskommen sähe? Ihre Heldin will das Geheimnis für sich behalten, denn sie fürchtet, bei einem Coming-Out ihre beiden Kinder zu verlieren und ihre eigenen Eltern zu verprellen (= das, was für sie auf dem Spiel steht). Ihre Schwägerin kann ihre Familie zerstören, ihr ganzes Leben.
An diesem Beispiel erkennen Sie weiteres Konfliktpotenzial geteilter Geheimnisse: Der neu eingeweihte Geheimnisträger kann Macht über den anderen bekommen. Und wie wir alle wissen, korrumpiert Macht – und schon eröffnen sich neue Möglichkeiten in Ihrem Plot!

Geheimnisse sind Schießpulver. Geteilte Geheimnisse sind Dynamit.

Danke fürs Lesen. Und jetzt weiter im Text. In Ihrem.

Stephan Waldscheidt

(c) SW 2014

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??? Meine Frage an Sie: Wie machen Sie Geheimnisse spannender? Ich bin gespannt auf Ihre Antwort — bitte hier als Kommentar …

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